Liebe Mühlenretter,
nun neigt sich dieses besondere Mühlenjahr dem Ende zu. Im vergangenen Jahr um diese Zeit hatten wir noch gedacht, dass das Jahr 2018 ein etwas ruhigeres Mühlenjahr werden würde. Wir hatten schließlich unsere offizielle Einweihung und 200 Jahre Mühle gefeiert, den Landespreis für Denkmalpflege gewonnen, wir waren als außerschulischen Lernstandort in einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) vom Kultusministerium zertifiziert worden, hatten einen Kultursommer mit vielen „Glücksmomenten“ erlebt und unser Müllermeister Franz hatte den Bürgerpreis des Landkreises 2017 erhalten. Aber manchmal kommt es anders als man denkt …
Im Januar haben wir unsere Mühle und die ganze Region wieder bei der Grünen Woche in Berlin vertreten und unsere BNE-Lehrerin Yasmin hat ihre Arbeit aufgenommen. Yasmin koordiniert die vielen Angebote unseres außerschulischen Lernstandorts in einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Viele Klassen und Kindergärten aus Seevetal, den Nachbargemeinden und Hamburg haben 2018 diese Angebote wahrgenommen. Ob im Bach, auf der Streuobstwiese, in der alten Küche oder in der Mühle: der Mühlenhof ist dafür gemacht, Kindern nachhaltige Bildung mit viel Spaß zu vermitteln. Unser ehrenamtliches BNE-Team hat sich unglaublich in diese Veranstaltungen samt Fortbildungen reingehängt.
Im März haben wir dann einen Storchenmast aufgestellt, leider waren wir hier etwas zu spät, so wurde er zwar inspiziert und es wurde auch schon Probe gesessen aber richtig bezogen ist er noch nicht, also warten wir aufs neue Jahr. Im Februar wurden auch 12 viel zu groß gewordene Fichten gefällt, sie hatten die Reste des alten Obstgartens überwachsen. Wir waren überrascht, wie viele Obstbäume noch zum Vorschein gekommen sind. So gibt es jetzt nicht nur Karoxbosteler Mühlenhonig sondern auch Karoxbosteler Apfelsaft. Die Gemeinde Seevetal hat uns sehr großzügig die Anschaffung von Mostpressen und weiterem nötigen Zubehör gefördert.
Bei der Vergabe der Kultursommerpreise ist unser Gemeinschaftsprojekt „Mühlenrunde“ zusammen mit den Wassermühlen Moisburg und Holm vom Landkreis Harburg und der Sparkasse Harburg-Buxtehude ausgezeichnet worden. Mit dem Oldtimer Bus zu allen drei Wassermühlen zu fahren, hat große Resonanz gefunden, auch die musikalische Begleitung im Bus war toll.
Ende März wurde uns dann eine große Ehre zu Teil, unsere Vorsitzende wurde mit dem Niedersächsischen Verdienstkreuz ausgezeichnet. Gefeiert haben wir dies natürlich zusammen auf der Mühlentenne.
Im März startete dann auch unser Bauprojekt „ Wiederherstellung des Wasserantriebs der Sägerei“. Hierbei ging es um den Bau der 33 Meter langen Antriebswelle vom Mühlrad zum Sägekeller und die Wiederherstellung der Treppe am Mühlengebäude.
Bei diesem Projekt war Eile geboten, mussten doch die überraschend zur Verfügung stehenden Leader-Mittel bis zum Sommer abgerufen werden. Die Bingo-Umweltstiftung und die Niedersächsische Sparkassenstiftung sowie das Amt für regionale Landesentwicklung in Lüneburg haben sehr schnell gearbeitet, so dass wir tatsächlich die nötige Summe von 40.000 Euro für die Welle und die Treppe am Mühlengebäude zusammen bekommen haben. Die Treppe wurde von Firma Koppermann aus alten Granitstufen gebaut. Auch die Welle konnte fristgerecht vom Mühlenbaubetrieb Pätzmann aus Winsen fertiggestellt werden. Nun sind wir wieder eine echte Sägemühle!
Passend hierzu wurde auch der alte Mühlenfahrstuhl restauriert. Die Sägetruppe und allen voran Claus haben sich hier reingefuchst und gleich noch einen Fachartikel für den „Mühlstein“ geschrieben. Auch der Generator wird im Moment in Stand gesetzt, Mühlenfreund Volker aus Hannover hat es in die Hand genommmen.
Diese drei Projekte zeigen wieder einmal, dass man manchmal schnell sein muss, manchmal jedoch auch warten muss, bis der richtige Zeitpunkt und vor allem die richtigen Personen da sind.
2018 haben wir 30 kulturelle Veranstaltungen an unserer Schönen gehabt. Von diesen Veranstaltungen ist nur die Mühlenrunde bezuschusst worden – und zwar mit dem Preisgeld des Kultursommerpreises. Egal, an unserer Schönen auftritt, ob Sinfonieorchester, Deutschlands bekanntester Ornithologe und Tierstimmenimitator Dr. Uwe Westphal, die Karoxbosteler Kriminacht, Kunstausstellungen, Theaterstücke oder Chorkonzerte – ich muss mich immer wieder kneifen, wenn ich an 2012/13 denke: hüfthoch Mist, offene Dächer, eingestürzte Wände und Decken und heute genießen unsere Besucher Kultur vom Feinsten in genau denselben Räumen, umsorgt von unglaublich engagierten und motivierten Mühlenrettern, die auch die großen Veranstaltungen wie den Mühlentag, den Tag des offenen Denkmals und den Adventsmarkt tragen und so unvergleichlich machen! Dieses Engagement und diese Fröhlichkeit trotz aller Schwierigkeiten hat sicherlich auch mit zu der ganz besonderen Ehre und Auszeichnung in diesem Jahr beigetragen.
Alles fing wie ein ganz normaler Sonnabend morgen an. Carsten und ich waren auf dem Weg zum Mühlenputz. Carsten warf noch einen kurzen Blick auf die Post und sagte nur: „Schatz, den Brief solltest du noch aufmachen.“ Der Absender lautete: „Die Beauftragte der Bundesregierung für Medien und Kultur.“ Unserem Verein Wassermühle Karoxbostel e.V. war vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz der Deutsche Preis für Denkmalschutz verliehen worden!
Wir konnten es kaum glauben und so ging es auch den Mühlenfreunden, denen wir die unglaubliche Botschaft kurz darauf vorlasen. Wir konnten es einfach nicht fassen: Der Deutsche Preis für Denkmalschutz, die höchste Auszeichnung auf diesem Gebiet für unsere Mühle? Es hat, glaube ich, bei allen einige Tage gebraucht, bis wir diese Nachricht so richtig begriffen haben. Nicht nur die Mühlenfreunde, sondern auch die Gemeinde, der Landkreis – allen voran unsere Bürgermeisterin Martina Oertzen und Landrat Rainer Rempe – unsere Förderer und natürlich unser Denkmalpfleger Wolfgang Küchenmeister, die uns über all die Jahre begleitet, haben sich riesig gefreut.
Zur Verleihung des Preises in Straßburg sind wir mit 33 Mühlenfreunden gefahren. Die Übergabe der Silbernen Halbkugel im Kaiserpalast und die Laudatio des Jury-Vorsitzenden Werner von Bergen waren echte Gänsehautmomente und sie bleiben unvergesslich. Eins haben wir in Straßburg auch gemerkt: Wir sind wirklich anders. Oder, wie sagte der Laudator: In Karoxbostel wurde kein Denkmal, sondern ein „Lebmal“ geschaffen.
Natürlich haben wir diesen Preis nicht nur in Straßburg gefeiert, sondern auch mit allen Mühlenfreunden an unserer Schönen, sehr bodenständig mit Erbsensuppe aus der Gulaschkanone und einer ebenfalls sehr unter die Haut gehenden Rede unseres Landrats.
Damit war das Jahr aber noch nicht zu Ende..
Zimmerer Andreas Brauel und seine Männer haben das Kunststück fertiggebracht das Schleppdach an das Schweinehaus punktgenau bis zum Adventsmarkt am 8. Dezember fertigzustellen; eine echte Meisterleistung, wenn man bedenkt, dass die Baugenehmigung erst Ende November erteilt worden ist. Auch bei diesem Projekt hat die Gemeinde mit Fördergeldern geholfen. So konnte uns das doch sehr durchwachsene Wetter nichts anhaben und der Adventsmarkt war wunderschön und ein riesiger Erfolg.
Kurz vor Weihnachten haben die Präsidentin des Landesamtes für Denkmalpflege Dr. Christina Krafczyk und unser Oberkonservator Dr. Klaus Püttmann die Mühle besucht. Die Präsidentin wollte unsr Projekt kennenlernen und gemeinsam mit unserer Bürgermeisterin Martina Oertzen und Caroline Kleinert vom Landkreis Harburg, das neue niedersächsische Denkmalschild an unserer Schönen montieren.
Es war ein interessanter, sehr informativer Besuch. Und wie bemerkte die Präsidentin: „Karoxbostel ist irgendwie anders, einfach verrückt.“ Stimmt!
Zum Jahresabschluss gab es dann noch eine tolle Überraschung und Auszeichnung: Wir sind zusammen mit dem Seevetaler Gemeindearchiv wieder Kultursommerpreisträger des Landkreises geworden. Am 20. Juli 2019 werden wir zu dem Kultursommerthema: „Licht und Schatten“ die Veranstaltung „Nicht nur Sonnenschein“ gestalten.
Neben diesen glücklichen, ja geradezu beflügelnden Momenten, gab es auch die stillen, traurigen des Abschieds von Mühlenfreunden. So verstarb unser Ortskurator der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Dieter Kunze aus Stade. Für Dieter war Karoxbostel nicht nur ein Förderprojekt, sondern es war „seine“ Mühle, die er mit großem persönlichem Engagement begleitet und gefördert hat. Abschied nehmen mussten wir auch von Helmut Maack, unser Holzwurm. Helmut war immer schon zwei Stunden vor allen anderen da, um Holz zu hacken und die Öfen anzufeuern. In seiner kauzigen Art war er ein fester Bestandteil der Mühlengemeinschaft. Eine große Abordnung der Aktiven war bei seiner Beerdigung in Hittfeld. Das Schicksal unseres Mühlenfreundes Georg ist besonders schlimm. Georg liegt seit einem schweren Fahrradunfall im April im Koma, unsere Gedanken und Wünsche sind bei ihm und seiner Familie.
In diesem Brief können nur ein Bruchteil der Aktivitäten dieses Jahres Erwähnung finden. Wir haben unsere Schöne wahrlich zu einem lebendigen Ort der Begegnung gemacht.
Liebe Mühlenretter, darum lasst uns frohgemut ins neue Jahr gehen, denn jede und jeder die oder der an unsere Schöne kommt, weiß doch genau: Karoxbostel macht einfach gute Laune!
Mit den besten Wünschen für Euch alle
liebe Grüße und „Glück zu!“
Emily und Christina mit dem ganzen Vorstandsteam